Vor nunmehr 125 Jahren, am 10. September 1898, ereignete sich in der Schweiz ein Aufsehen erregendes Attentat. Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn wurde in Genf vom italienischen Anarchisten Luigi Lucheni mit einer Feile erstochen. Wobei man die Tragweite der Attacke vorerst nicht erkannte: "Sisi" starb einen geradezu beiläufigen Tod, der sie rund eineinhalb Stunden nach dem Attentat in ihrer Suite im "Hotel Beau Rivage" ereilte.
In jenem Haus, in dem im Oktober 1987 auch der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, tot aufgefunden wurde. Im Gegensatz zu den mysteriösen Theorien, die sich um Barschels Ableben ranken, ist im "Fall Sisi" alles klar: Es war Mord - im Grunde aber bloß eine temporäre Vorverlegung des nahen Endes, auf das sich die 60-jährige Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn bereits vorbereitete.
Ihren Lebenszenit hatte sie schon überschritten, Liebhabereien wie Reiten, Fechten, ja sogar das Dichten, längst aufgegeben. Ihre Schönheit war Überlieferungen zufolge nur mehr Legende, die bloß deshalb aufrecht blieb, weil sich Sisi - geschützt durch einen Fächer - allen Blicken verweigerte, die ihrer angesichts werden wollten. Vollkommen menschenscheu entzog sie sich der Öffentlichkeit.
Weil sie ihr Leben lang stets zu Extremen geneigt hatte, machten sich auch die Krankheiten des Alters früh bemerkbar. Exzessiver Sport, ebensolche Hungerkuren und Verkühlungen, hervorgerufen durch Gewalttouren bei Wind und Wetter, hatte in Sisis Physis tiefe Spuren hinterlassen. Elisabeth, dieser Mythos einer traumhaften Kaiserin, hatte im Herbst ihres Daseins in Wahrheit starkes Rheuma, dafür schwache Nerven, eine ausgedörrte, faltige Haut und - wie bei der Obduktion festgestellt wurde - mehrere Hungerödeme.
"Dieser Aufsehen erregende, gewaltsame Tod von Genf war wie eine Erlösung für eine tief unglückliche, seelenkranke und körperlich schwache Frau, deren Weggang kaum eine Lücke hinterließ", analysiert daher auch die 2016 verstorbene Historikerin Brigitte Hamann in ihrem Standardwerk "Elisabeth - Kaiserin wider Willen". Die Aussage einer überzeugten "Sisianerin" überrascht. Glaubhaft ist die Feststellung aber schon, stützt sich die Forscherin bei ihren Interpretationen zur kaiserlich-königlichen Vita doch stets auf profunde Quellenanalyse.
So soll die Tochter der Verstorbenen, Erzherzogin Marie Valerie, den plötzlichen Abschied recht nüchtern analysiert haben: "Nun ist es so gekommen, wie sie es immer wünschte, rasch, schmerzlos, ohne ärztliche Beratungen, ohne lange, bange Sorgentage für die Ihren."
Tatsächlich hatte sich Sisi bereits auf den Tod vorbereitet, wurde aber dennoch von ihm überrascht. Denn als sich Luigi Lucheni am frühen Nachmittag des 10. September 1898 rund 200 Meter vom "Beau Rivage" entfernt auf sein Opfer stürzte, reagierte dieses mit Unverständnis. "Was wollte dieser Mann eigentlich?", soll Sisi ihre Begleiterin, Gräfin Sztaray, hernach auf Ungarisch gefragt haben. Die überlieferte Antwort ist bezeichnend: "Ich weiß nicht, Majestät."
Die Kaiserin erreichte sogar noch das angestrebte Schiff, mit dem sie zum Luftkurort Caux bei Montreux übersetzen wollte. Und weil die ältere Dame als "Gräfin von Hohenembs" inkognito am Genfer See weilte, wurde um den mutmaßlichen Ohnmachtsanfall vorerst nicht viel Aufhebens gemacht. Erst als man auf dem Batisthemd in Herznähe ein winziges Loch und einen bräunlichen Fleck entdeckte, dreht der Kapitän um. Jegliche Rettung wäre aber ohnehin zu spät gekommen. Entsprechend knapp ist der von der Stadt Genf ausgestellte Totenschein: "...gestorben im Hotel Beau Rivage am 10. September um 14 Uhr 10 Minuten nachmittags."
Bei der später durchgeführten Autopsie wurde eine 85 Millimeter tiefe dreieckige Wunde festgestellt. Die Feile hatte die vierte Rippe verletzt, dann den vorderen Rand des linken Lungenflügels sowie den Herzbeutel durchdrungen und die linke Herzkammer durchstoßen. Der Attentäter flüchtete durch die Rue des Alpes. In der Höhe des Hauses Nummer fünf wurde er von einem Elektriker und zwei Kutschern überwältigt. Die drei Männer übergaben Lucheni gegen 14.00 Uhr der Polizei. Die Beamten hielten in ihrem Bericht fest, der Attentäter sei bei seiner Festnahme "gut gelaunt" gewesen.
Luigi Lucheni, ein ehemaliger Soldat, der als Diener in adeligen Häusern seinen Hass gegen die feudalen Gesellschaftsstrukturen genährt hatte, bereute seine Tat nicht - im Gegenteil. Frisch mit den Ideen des Anarchismus in Berührung gekommen, war der 25-Jährige überzeugt, ein deutliches und nachhaltiges Zeichen gesetzt zu haben.
"Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", lautete - etwas verkürzt - seine vom Leben in der Unterschicht geprägte Philosophie. Da kam ihm Sisi gerade recht. Sie war ein gekröntes Haupt, und ihre Ermordung machte die erhofften Schlagzeilen. Allmählich verblasste Luchenis Triumph aber. Zu lebenslanger Haft verurteilt, beging der Mörder 1910 Suizid.
Quelle: k.at
Ihre Genealogie befindet sich im Stammbaum-Netzwerk und im Familienbuch Adelsgeschlechter.