Franz Josef Mathies war Fuhrmann und zuletzt Mesner in Stallehr. Man nannte ihn "Lawinen-Franz-Josef", weil er am 21. Dezember 1886 von einer Lawine verschüttet und nach fast 30 Stunden lebend gefunden wurde.
Franz Josef Mathies wurde am 27. Oktober 1864, um 8 Uhr, als Sohn des Felix Mathies und dessen Gattin Maria Anna geb. Strolz im Haus Teschenberg 23 in Warth geboren. Bei seiner Geburt war Frau Theresia Drexel als Hebamme zugegen. Franz Josef wurde am selben Tag, um 16 Uhr, von Pfarrprovisor Johann Zeh in der Pfarrkirche hl. Sebastian in Warth römisch-katholisch getauft.
In dieser Mathies-Familie, die in den Kirchenbüchern auch mit dem Familiennamen "Mathis" aufscheint, hatte es insgesamt 14 Kinder. Einige Kinder verstarben bereits im Kindesalter.
Franz Josef's Schwester Maria "Theresia" Mathies (* 26. September 1885 in Warth) wurde die Frau des österreichischen Skipioniers Viktor Sohm (* 19.06.1869 in Dornbirn), der auch Inhaber eines Sportartikelgeschäfts in Bregenz war.
Sein Bruder Albert Mathies (* 15. Juni 1889 in Dalaas) zählte zu den wichtigsten Skipionieren am Arlberg und war Gründer der Skischule Zürs, Gastwirt und Kaufmann (Sportartikelhändler) in Zürs.
Berichte über den Lawinenunfall
Über den Lawinenunfall gab es Berichte im Vorarlberger Volksblatt, die hier leicht angepasst sind. Seine Geschichte wurde über viele Jahrzehnte im Schulunterricht in Vorarlberg vorgetragen bzw. gemeinsam gelesen. Ein Gemälde in der Pfarrkirche von Stuben erinnert an die Rettung des Lawinen-Franz-Josef. Eine Erinnerungstafel ist an der Unfallstelle am alten Flexenweg montiert.
Stuben, 21. Dezember 1886 - Unglücksfall
Heute ereignete sich hier ein höchst betrübender Vorfall. Der Flexen verlangte nach langer Zeit wieder ein kostbares Menschenopfer. Auf das Tauwetter der letzten Tage, welches selbst im unwirtlichen Stuben dem Schnee stark zu Leibe ging, folgte in der Nacht vom 20. auf den 21. ein gewaltiger Schneefall. Dazu gesellte sich - hier eben keine Seltenheit - ein furchtbarer Sturm, und so waren denn die Schneemassen bald stellenweise meterhoch aufgetürmt. In der Frühe versuchte nun ein junger Mensch mit seinem beladenen Schlitten die Höhe des Flexens zu erreichen. Da die letzte Zeit hindurch der Weg stark befahren worden war, so schien die Schwierigkeit nicht allzu groß und das Unternehmen nicht allzu gewagt. Es gelang auch wirklich. Oben angekommen wurde die Ladung für einstweilen in dem dortigen Holzschupfen untergebracht, und nun trat der junge Mann, um eine weitere Ladung hinauf zu holen, die Rückfahrt nach Stuben an. Es war seine Todesfahrt.
Wie alles gekommen ist, darüber lassen sich einstweilen nur Vermutungen aufstellen, und vielleicht wird’s auch für die Folge bei solchen bleiben. Jemand, welcher später abwärts kam, fand Schlitten und Pferd allein auf der Straße im tiefen Schnee stecken. Der Fuhrmann war verschwunden. Eine häuserhohe Lawine war zu Tal gegangen und diese muss den armen Mann, der sich, wie es scheint, durch Vorauseilen zu retten suchte, in die grausige Tiefe des Stuben Falles hinabgeschleudert haben. Auf die Kunde von dem Unglück brach unverweilt die ganze disponible Mannschaft von Stuben auf, um den Verunglückten womöglich noch zu retten. Doch alle Arbeit, welche nicht ohne Lebensgefahr der dabei Beteiligten vorgenommen werden konnte, blieb erfolglos. Da der Abend hereinbrach, musste man jeden weiteren Versuch zur Auffindung der Leiche aufgeben. Es schneite und stürmte machtvoll weiter.
Der Verunglückte, ein junger in ausgezeichnetem Rufe stehender Mann, die einzige Stütze seines betagten Vaters, war, wie man uns mitteilt, der Organist von Warth. R. I. P.

Hier befand sich die ungefähre Absturzstelle von Franz Josef Mathies (Lawinen-Franz-Josef), als er von
der Lawine aus dem Kurzkehrtobel am 21. Dezember 1886 erfasst wurde.
Lech, 21. Dezember 1886
Eine sehr traurige Nachricht ist es, die ich heute den Lesern des "Volksblatt" zur Kenntnis bringe. Eine Lawine am Flexenjoch forderte Vormittags gegen 11 Uhr einen jungen, im 23. Lebensjahre stehenden Mann zum Opfer. Es ist der sehr brave und rechtschaffene, von allen geachtete Jüngling Franz Josef Mathias [Mathies] v. Warth.
Auf dem Wege nach Stuben fahrend, hatte ihm im sogenannte "Zügle" am Flexen eine Lawine den Weg versperrt. Er brachte sein Pferd zum Stehen und begann, den Schnee vom Weg zu räumen. Unterdessen löste sich der ober ihm befindliche Schnee, eine zweite Lawine folgte und schleuderte den armen Mann unbarmherzig in die Tiefe, wo er bisher noch liegt.
Der Lecher Briefbote brachte gegen 3 Uhr Nachmittags die Hiobspost nach Lech. Sogleich brach ich [der Priester?] mit dem heiligen Öl und sieben tapferen Lechern zur Suche auf. Um 6 Uhr Abends waren wir an der Unglücksstätte angekommen; aber keine Spur war zu finden. Mit größter Lebensgefahr gingen wir über den von Lawinen ganz überschütteten Flexen hinunter nach Stuben, wohin der Gendarmerie-Führer und Posten- Kommandant von Dalaas die traurige Nachricht brachte.
Derselbe ging Morgens von Lech fort. An der Stätte des Unglückes sah er das Pferd mit dem Schlitten stehen. Er blieb dabei, da er nicht vorwärts konnte, nicht ahnend, dass hier sich ein trauriger Fall ereignet haben könnte. Ungefähr zwei Stunden blieb er dort; da kam von Stuben her Stefan Wolf mit seinem Sohne Wilhelm. Nun wurde man sich klar, dass das erschütternde Ereignis sich zugetragen. Wie gesagt, fand man die Leiche trotz allem Suchen von Seite der Stubner bisher noch nicht. Schneefall, heftiger Sturm und Lawinengefahr machen alles Suchen zur Nachtzeit unmöglich. Dies in aller Eile. Das andere später.
Klösterle, 22. Dezember 1886 – Bericht vom Flexen
13 Männer suchten von gestern Nachmittag bis spät in die Nacht nach dem Unglücklichen und erst heute Abends gelang es nach größten und sehr gefährlichen Anstrengungen den Verunglückten wieder aufzufinden und zwar zur größten Freude wie nicht zur minder großen Überraschung aller noch lebend und allem Anscheine nach ohne lebensgefährliche Verletzung, obwohl er doch nahezu 30 Stunden unter der Lawine begraben lag. Aufrichtigster Dank sei allen braven Männern hiermit öffentlich gezollt, die sich an dem für sie selbst so gefährlichen Werke der Lebensrettung des Verunglückten beteiligt haben.
Über diesen Fall vielleicht Näheres in nächster Nummer.
Lech, 23. Dezember 1886 - Das Unglück am Flexen
Der unglückliche Botenmann von Warth, von dem ich meldete, dass ihn am 21. Dezember, 11 Uhr Mittag, eine Lawine im Kurzkehrtobel - nicht Zügle - verschüttet, wurde gestern als am 23. dieses Monats, um 4 Uhr Nachmittags, nachdem er also volle 30 Stunden unter einer Lawine von 18 Fuß [5,48m] Tiefe gelegen, lebendig und bei vollem Bewusstsein ausgegraben.
Ich will versuchen, den verehrten Lesern des "Volksblatt" in Stadt und Land ohne jede Übertreibung eine getreue Darstellung der schauerhaften Szenen, wie sie sich in den zwei letzten Tagen am Flexen abspielte, zu geben, damit man Einsicht gewinne in die Annehmlichkeiten und den Reiz des Lebens am Tannberg, von denen die gesättigten Stadthechte und modernen Kaffeedamen aus Deutschland mit großer Behaglichkeit zu erzählen wissen, wenn sie einmal an einem schönen Sommertage ihre waschledernen mit Kölnisch Wasser übertünchten Gesichter dem sanften Säuseln des tannbergischen Zephirs ausgesetzt haben.
Bestürzt über die seltsame Stafette des Dalaaser Postenführers, ging eine wackere Abteilung Stubner mit Schaufeln und Spaten nach der Stätte, wo das Unglück sich ereignet, um zu graben und zu suchen. 10 Mann gruben von 1 Uhr Mittags bis gegen Einbruch der Nacht, nicht wissend, in welcher Minute ihnen allesamt eine, tückische Lawine das grausige Los des Verunglückten zuwarf. Das Dunkel der Nacht, die drohende Lawinengefahr, das Toben und Heulen des Windes machten allem Suchen für heute eine Ende. Sie zogen ab und gingen unverrichteter Dinge heim.
Nach Lech kam gegen 3 Uhr Nachmittags die schreckliche Kunde vom traurigen Ereignis. Unsere 8 Mann machten sich gleich, versehen mit den nötigen Handwerkzeugen, auf den Weg zur Suche. Ich selbst nahm natürlich das hl. Öl mit, um dem Ärmsten, sollten wir ihn noch finden, zu trösten und in der herben Stunde zu stärken. Aber der Schatten dunkler Nacht war schon ausgebreitet über die vom tosenden und beißenden Schneewinde durchbrauste Flexenwildnis. Ein Suchen war ausgeschlossen. Was sollten wir tun, heimgehen oder nach Stuben? Ersteres konnten wir nicht, das Zweite war ein Wagestück und mit größter Gefahr des Lebens verbunden. Vor uns lagen die großen Lawinenstellen, hinter uns türmte das brausende Elemente ganze Schneehügel auf, um uns herum lagerte sich des Menschen Feind, die finstere Nacht.
Wir fassten Mut. Dem Schutze des Allerhöchsten, dem Gebieter über Leben und Tod unsere Seele empfehlend, gingen wir den jähen Schnee-Abhang hinunter. Franz Josef Strolz, eine lange Gestalt, machte mit der Laterne den Vortritt, bei der ersten und gefährlichsten Stelle. Mit Zittern und Beben folgte ihm der Zweite und diesem der Dritte und Vierte, bis auch der Letzte den großen gefährlichen Schritt glücklich beendet. So ging es viermal hintereinander und es war, als hätten die vor Todesangst blassen Gesichter hinausgeleuchtet in die dunkle Nacht und den schmalen Fußtritt an der senkrecht sich auftürmenden Lawine leichter ausfindig gemacht.
Die Gefahr war vorüber. Wir verließen nun den Weg und stürmten wie besessen einer dem andern behend folgend den Geraden hinunter, nicht ahnend, dass unter dem Schneefelde, das wir unbarmherzig stampften, eine lebendige, nach Hilfe rufende und betende Gestalt begraben liege. In Stuben angekommen, war alles tief gerührt ob dem entsetzlichen Unglück des armen und braven Jünglings.
Des folgenden Tages wetteiferten am Graben und Suchen Bewohner von Lech, Stuben und Warth, die stattliche Zahl von 44 Mann. Jeder durchwühlte, getrieben durch die hl. Pflicht der Nächstenliebe, den Schnee. Man gräbt schon volle 4 Stunden und die Stangen von Klösterle, die eisernen Bohrer, taten auch das Ihrige. Nach rechts und nach links bald tiefer und bald weniger tief, doch wenigstens bis zum Grunde durchspießten die Stangen den Schnee in der ganze weiten Runde.
Schon war es 2 Uhr und noch keine Spur. Die Hoffnung schwand. Man wollte heim. Noch einmal, um die vierte Stunde war's, stieß einer die Stange hinunter, wohin sie schon oft gedrungen. Und siehe! O Wunder, zu schauen! Zweimal hüpfte die Stange empor, gestoßen von unsichtbarer, verzweifelter Kraft. Schauder und Entsetzen durchfährt alle Glieder und es ertönt der Freuden- und Angstruf zugleich: Da ist er! Er lebt! Er lebt noch!
Nun ging's an ein Schaufeln und Graben und Ringen und Jagen und Werkchen und Hasten mit erneuerter Kraft und doppelter Freude. Und in 10 Minuten hatten die 88 geschäftigen Hände den 18 Fuß hohen Lawinen-Kegel abgetragen und mitten in demselben - horribile dictu - fast in gekrümmter Stellung mit überschlagenen Füßen, vom Wasser berührt, das arme gefundene Opfer, das gestern die Lawine in schonungslosem Erbarmen dahingetragen. Es wird gelöst von den eisigen Banden des Schnees.
O schaudervoller Anblick! Eine klaffende Wunde an der Stirne, mit Blut überströmt, der obere Schenkel des rechten Fußes gebrochen, am Knie desselben ein Loch, im Gesichte Todesblässe, der ganze Leib halb gefroren und schneekalt - gesund nur der Verstand.
Man erkannte in dieser Gestalt das Wirken und Walten, gleichsam die Personifikation des Allerbarmers. Gleich wurden dem schmachtenden Jüngling die Sterbesakramente gespendet. Während der hochwürdige Herr Pfarrer von Stuben, Dr. Andreas Fusangel, das hl. Sakrament zur Stelle trug, erteilte ich ihm das Bußsakrament und die letzte Ölung. Es war ein feierlicher und ergreifender Moment. In diesem großen, weitausgedehnten Schneerevier liegt das arme, schwache Geschöpf, getroffen von der Furie des grausen Geschickes. Um ihn stehen die wetterharten, über und über mit Schnee bedeckten Männer von Lech, Stuben und Warth, die Bezwinger der ruhenden Lawine, früher arbeitend, jetzt betend, dankerfüllten Herzens ob des glücklichen Erfolges, mit dem Rosenkranz in der Rechten und in der Linken haltend die hölzerne, eisenbeschlagene Schneeschaufel.
Nun erscheint in der Mitte dieser leblosen starren Natur und deren vernünftigen Beherrschern der gewaltige Schöpfer Beider, der Gott Himmels und der Erde, in Brodesgestalt und schenkt sich ganz dem Kranken, dem in Demut ergebenen Geschöpfe. Zu Stuben, im Hause der Familie Fritz, liegt nun der gefundene Arme und genießt die beste Verpflegung. Ob er dem Leben erhalten bleibt, ist zur Stunde ungewiss.
Was dieser Mann in den vollen 30 Stunden ausgestanden, spottet jeder Beschreibung. Wir werden aber einen, wenn auch nur dunkeln Begriff davon bekommen, wenn wir aus seinem eigenen Munde vernehmen, dass nach der ersten Lawine, die ihn nur wenig zugedeckt, so, dass er mit einer Hand schon im Freien war und um Hilfe schrie, gleich eine zweite und dieser eine dritte und noch mehr folgten und ihn gänzlich begruben. Immer betete er und rief unaufhörlich Maria, die Mutter Gottes, an. Diese half ihm; war er ja noch am Tage des Unglückes im Rorate und betete zu ihr! Denn er befürchtete wie er mir sagte, ein Unglück und deshalb habe er beim Aufstehen zweimal das Weihwasser genommen und ihn eine Stimme, eine unbekannte, beständig an's Rorate erinnert. Er folgte denn der Stimme, dem Rufe der Gnade, und diese hat ihn zum Lohne gerettet.
Erst im April 1887 war Mathies gesundheitlich wieder soweit hergestellt, dass er an Krücken gehen konnte.
1889 verunglückte er nochmals, als ihn ein scheuendes Pferd mit seinem Huf traf und den Fuß genau an der Stelle nochmals brach, an welcher er bereits beim Lawinenunglück gebrochen wurde.
Quellen: Vorarlberger Volksblatt, Matriken, Österreichwiki (Bild: Asurnipal)
Die Genealogie der Familie Mathies befindet sich im Stammbaum-Netzwerk.